Home
Die Theaterstücke
Texte: alphabetisch
Links
Impressum
 

Alan Ayckbourn:
Body Language

Kommentar:

Wer in den letzten Jahren unsere Aufführungen von Ayckbourn-Stücken verfolgt hat, dem wird sicherlich nicht entgangen sein, dass sich dieser englische Autor in eindrucksvoller und einfühlsamer Weise vor allem mit der Psyche seiner weiblichen Personen beschäftigt: er hat uns gezeigt, wie Frauen im banalen Alltagsleben an der Seite geschäftiger oder gleichgültiger Ehemänner zerbrechen (“Absurd Person Singular” und “Just Between Ourselves”), wie Frauen nach ihrer "Karriere" als Hausfrau und Mutter in Tagträume flüchten (“Woman in Mind”), wie Frauen von rücksichtslosen, egozentrischen Macho-Männern zu Anhängseln degradiert werden (“Man of the Moment”).

In seinem jüngsten Stück “Body Language” versucht Alan Ayckbourn weniger, uns die weibliche Psyche der beiden Hauptpersonen offen zu legen, sondern er setzt sich engagiert mit der Rolle von Frauen in unserer immer noch stark von Männern geprägten Gesellschaft auseinander, und man hat als Leser des Textes das Gefühl, dass dieses Stück am besten von einer emanzipierten, (im besten Sinne) feministisch geprägten Regisseurin inszeniert würde.

Ayckbourn prangert nicht nur die Art und Weise an, in der Mode, Magazine und Werbung Frauen zu Objekten degradieren, die der (männlichen) Welt Schönheit ohne Makel, Leben ohne Altern, Genuss ohne Reue vorgaukeln, sondern er stellt seine männlichen Artgenossen so dar, dass sie lächerlich, verachtenswert und eindimensional erscheinen:

Da ist Ronnie, Angies Manager, der sich nur scheinbar um die persönlichen Sorgen der jungen Frau kümmert, der sein Model nur als nützliches verkaufsförderndes Objekt sieht und weiß, dass er bald ein "neues Model(l)" braucht, um in seinem Beruf erfolgreich zu sein. Nach der Vertauschung der Körper sagt er bezeichnenderweise zu Jo: "The body you have got (i.e. Angie's body), believe me, is an earner. That body has still got what? – maybe two, three good years left in it."

Da ist Derek, der sich über Jo Knaptons Kummerspeck lustig macht und – nach dem Körpertausch – plötzlich wieder intensives, unzweideutiges Interesse an Jo zeigt, von Zusammenarbeit spricht, aber nicht die Journalistin Jo meint, sondern die Jo, die für seine "künstlerischen" Fotos mit ihrem neuen Körper posieren soll.

Da ist Angies Ehemann Mal, der Angie nur als Körper sieht, dem die Person Angie völlig egal ist, der nur an sich selbst und seinen voyeuristischen Genuss denkt, wenn er seiner Frau in der Vergangenheit nur Geschenke in Form von "see-through night dresses" gemacht hat.

Und da ist – last not least – der Chirurg Zyergefoovc, der Inbegriff männlicher Lüsternheit, bei dem auch das Alter nicht vor Tor-(Geil-)heit schützt, der offenbar am liebsten Frauen operiert und der über die Motive der Nachbe-hand-lung seiner Patientinnen keine Zweifel aufkommen lässt (Angie, als sie Zyergefoovc kommen sieht, der sich zu ihr und Jo setzten will: “Oh God, it's Walter the groper”).

Ayckbourn beschreibt eine Gesellschaft, in der sich Frauen für männliche und monetäre Zwecke benutzen lassen, er karikiert unsere Konsumgesellschaft, in der mit Hilfe der Medien suggeriert wird, dass sich Jugend und makellose (weibliche) Schönheit nicht verbrauchen; eine Gesellschaft, wo alternde Körper gegen neue, unverbrauchte Körper ausgetauscht werden, wo man Körper "sprechen" lässt (siehe Titel), wo Köpfe zur ‘quantité négligeable’ werden

Aber “Body Language” wäre kein echtes Ayckbournstück, wenn der uns vorgehaltene Spiegel nicht auch ein Zerrspiegel wäre: die dort abgebildeten menschlich-männlichen Verhaltensweisen bringen uns zum Lachen, ja sie werden manchmal gänzlich der Lächerlichkeit preisgegeben.

Gleichzeitig ist dieses Stück auch ein engagierter Appell zur Solidarisierung der Frauen, denn es kann ihnen offenbar nur gemeinsam gelingen, die ihnen aufgezwungene, aber auch oft schon akzeptierte Rolle als Mode-, Werbe- und Lustobjekt zu verweigern. Body Language ist in dieser Hinsicht ein Aufruf zur Emanzipation, zur Befreiung von Fremdbestimmtheit, zu weiblicher Selbstbesinnung. Dies wird noch einmal gegen Ende des Stückes in den Regieanweisungen deutlich, wenn der Autor sagt: “Both women seem happier than we've ever seen them.”

(Wolf-Werner Pickhardt)

 

 

 

[Home] [Die Theaterstücke] [Texte: alphabetisch] [Links] [Impressum]
© 2004 by W.W. Pickhardt, Meerbusch (Germany) - bei Fragen bitte Kontakt aufnehmen