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Alan Ayckbourn:
Just Between Ourselves

Kommentar:

Alan Ayckbourn, Jahrgang 1939, ist seit Jahren der erfolgreichste Theaterautor in England. Sein bisherigen Schaffen umfaßt etwa 40 Theaterstücke; seine Stücke sind in England sowohl in kleineren Theatern der Provinz als auch in London Publikumsrenner. Trotz dieser Erfolge ist Alan Ayckbourn nach wie vor den meisten deutschen Theaterbesuchern unbekannt. Deutsche Regisseure, vor allem an größeren Bühnen, scheinen bei ihm eine Hemmschwelle überschreiten zu müssen. Nach Ansicht des Autors eines kürzlich erschienenen SPIEGEL-Artikels über A. Ayckbourn, das "theaterverrückte Riesenkind", liegt der Grund für diese Zurückhaltung in der Skepsis deutscher Theatermacher gegenüber einem allzu Erfolgreichen begründet: "Einer wie Ayckbourn ist zu erfolgreich, um wirklich gut zu sein".

Dabei sind seine Themen, das Milieu seiner Figuren, die Verhaltensweisen seiner Personen eigentlich jedem so vertraut, daß er sie aus seiner eigenen Umgebung wieder erkennen sollte. Es werden Situationen aus dem alltäglichen Leben unauffälliger Menschen dargestellt, wobei Ayckbourn allerdings den Unterschied zwischen dem wirklichen Menschen und der von ihm aufgebauten Fassade scharf herausstellt.

In “Just Between Ourselves” wird dies besonders deutlich: Gewohnheiten ersetzen reale Gefühle, Sprache scheint eine Art Eigenleben zu führen: sie hat sich vom Medium des Austausches von Gedanken und Gefühlen zwischen Personen zu einer Reihung von Clichés entwickelt und scheint sich teilweise im ‘small talk’ zu erschöpfen. Verstehen, Be-greifen des Anderen ist verschwunden, Sprache zielt entweder daneben (Vera) oder bietet sich als Fluchtmittel vor der Wirklichkeit und ihren Konflikten an (Dennis); Sprache deckt Risse im Zusammenleben zu, erstickt jegliche Sprachhandlung im Keim, verselbständigt sich.

Hierdurch lebt dieses Stück von Alan Ayckbourn letztlich in der Tradition des "Absurden Theaters", wenn es auch nicht die philosophische Dimension eines Beckett hat oder die existentielle Beklemmung eines Ionesco widerspiegelt. Aber typische Eigenheiten des "Absurden Theaters" sind deutlich vorhanden: da ist die erdrückende Präsenz der dinglichen Welt; da ist die Kommunikationslosigkeit zwischen den Personen (Wörter und Sätze sind nur noch Phrasen, Sentenzen, Clichés, leere Hülsen); da ist die daraus resultierende Komik, weil Gesagtes und Gemeintes auseinanderfallen; da ist die menschliche Tragik, die hinter der vordergründigen Komik sichtbar wird.

Nur geht es Ayckbourn nicht – wie den Autoren des Absurden – um eine exemplifizierende Darstellung der Menschheit, sondern es geht ihm um die jeweils dargestellte Einzelfigur, wenn sie auch repräsentativ für bestimmte Gesellschaftsschichten steht, deren Verhaltensweisen von Ayckbourn kritisch beleuchtet werden. Er tut dies zunächst auf unterhaltsame, sprich komische Art, um dann anschließend beim Zuschauer Betroffenheit auszulösen, ja fast ein Gefühl der Scham darüber, daß man zuvor dem Reiz der Komik nachgegeben hat.

Dadurch ist “Just Between Ourselves” im Grunde ein tragisches Stück, das als Komödie verkleidet ist. Ayckbourn setzt sich hiermit deutlich von den in England sonst so beliebten Boulevard-Komödien ab; er nutzt zwar deren dramaturgisches Mittel der Situationskomik, benutzt es aber nicht um seiner selbst und des vordergründigen Effekts willen, sondern läßt dahinter immer wieder die Dimension menschlichen Leidens erkennen: kein Leiden an existentiellen Fragen im philosophischen Sinne, sondern Leiden an der Gleichförmigkeit der realen Existenz, an der Gewöhnung, an der Verflachung durch die Routine des Alltags.

(Wolf-Werner Pickhardt)

 

 

 

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