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Alan Ayckbourn:
Mother Figure

Aus dem Programmblatt der Aufführung 2002

Zum Inhalt der Stücke:

Mother Figure von Alan Ayckbourn ist ein Einakter, der die Situation von Lucy, einer Mutter von 3 Kindern beschreibt, die auf Grund der Tatsache, dass ihr Mann fast nie zu Hause ist und ihr Tagesablauf dadurch ausschließlich durch die Beschäftigung mit ihren Kindern bestimmt wird, ihr Äußeres vernachlässigt und sich langsam von der Welt der Erwachsenen entfernt hat.

Ihre Nachbarn (Terry und Rosemary) suchen sie auf, um ihr mitzuteilen, dass Lucys Mann bei ihnen angerufen hat, weil er seine Frau auf ihrem Telefonapparat nicht erreichen kann. Im Gespräch mit Lucy und Rosemary zeigt Terry, dass er sehr konserva­tive Vorstellungen von der Rollenverteilung hat: im Grunde habe sich seit Jahrtausenden hier nichts geändert. Er ist der Auffassung: "Woman stays in the cave, man the hunter goes off roving at will." Im Laufe des Besuchs spielt Lucy während des Streites zwischen Terry und Rosemary mehr und mehr die Mutterrolle, während die anderen beiden sich in kindliche Verhaltensweisen zurückdrängen lassen.

Barrie Keeffe
Gotcha

Gotcha von Barrie Keeffe ist im Gegensatz zu Mother Figure ein in seiner Grundstimmung eher ernsthaftes Stück, in dem es um die in der Gesellschaft unterprivilegierten Jugendlichen geht, die an den landesweit gepriesenen Gesamtschulen (comprehensive schools) auf Grund ihrer Anonymität ebenso wenig gefördert werden wie in den bis dahin bestehenden anderen Schulformen Englands.

Ein Schüler (Kid) verlässt nach 5 Jahren Schulzeit die Gesamtschule und hat das Motorrad seines Bruders (seine Eltern haben sich vor Jahren bereits getrennt, er ist in der Obhut der Großeltern und seines Bruders herangewachsen) in einem Raum der Schule widerrechtlich abgestellt. Als er es abholen will, trifft er eine seiner Lehrerinnen (Lynne) und seinen Sportlehrer (Ton) in einer verfänglichen Situation an. Als Ton ihn wegen seines Anstarrens zur Rede stellt, ihm Vorhaltungen wegen des Motorrades macht und sein sehr schlechtes Abschlusszeugnis mit abfälligen Bemerkungen kommentiert, sieht Kid seine Chance, endlich einmal das Sagen in der Schule zu haben: er schließt die Tür hinter sich zu und nimmt die Lehrkräfte als Geiseln, indem er droht, die beiden und sich selbst mit Hilfe des Benzintanks in die Luft zu sprengen. Er demütigt sie, indem er ihnen ihre (z.T. vulgären) Spitznamen (Farty für Ton und Gorilla für Lynne Millar) kundtut und sie zwingt, einander mit diesen Namen anzureden. Er zwingt Ton, die Schulleiterin (Ms Robinson) durch das Fenster zu ihnen heran zu winken.

Es stellt sich heraus, dass weder die Lehrer Ton und Lynne noch die Schulleiterin, die alle drei ihre Kommentare und Bewertungen auf Kids Zeugnis abgegeben haben, überhaupt seinen Namen kennen. Dies wirft Kid vor allem der Schulleiterin vor, deren Unterschrift sozusagen das definitive Urteil ('judge's verdict') bedeutet, d.h. eine endgültige Absage an jegliche Chance, einen akzeptablen Beruf zu bekommen. Er wirft der Schulleiterin vor, dass es an ihrer Schule nur um Leistung (achievement) und Erfolg (success) gehe und dass alle, die diesen Anforderungen nicht genügen, bereits vom ersten Tag an keine Erfolgsaussichten hätten. Im Gegenteil, er habe sie bei seiner Einschulung während der Rede des Bürgermeisters, der die Vorzüge der neuen Schule lobte, beobachtet und gesehen, dass sie ihre neuen Schüler von vornherein nach ihrem Äußeren, sprich nach ihrer sozialen Herkunft, katalogisiert hätte — und Schüler wie er hätten von Anfang an keine Chance gehabt. Wo sei denn die Förderung der Schüler seinesgleichen, die nicht die Anlagen wie die anderen mitbrächten ("What about us who don't do any O levels?")? Er habe gesehen, dass die intellektuell weniger Begabten nicht gefördert würden, sondern sich selbst überlassen blieben und im Gros der 1200 Schüler untergingen.

Die Schulleiterin verspricht – eher aus taktischen Gründen – ihm zu helfen, seinen Weg zu machen. Darauf teilt er ihr seine Wunschvorstellungen in Bezug auf einen Beruf mit: Profifußballer bei West Ham oder Gehirnchirurg.

Gegen Ende der Unterhaltung sind Ton und Ms Robinson so erschöpft auf Grund von Angst und Stress, dass sie kurz einschlafen. Kid erzählt seiner Lehrerin Lynne von seinem Großvater, der ihn immer zu seinen Brieftauben mitgenommen habe, der trotz seiner Armut glücklich gewesen sei, weil ihm nie jemand falsche Versprechungen gemacht habe. Während ihrer Unterhaltung klingen immer wieder die Lieder durch, die während der Schulabschlussparty unten in der Schule von Platten gespielt werden. Als Kid ein wenig Vertrauen zu Lynne fasst, die ihm wirklich zu helfen versucht, indem sie ihm rät, sich nicht an den Maßstäben von Ton oder Ms Robinson zu messen, und Lynne zum Tanz auffordert, wacht Ton auf ...

(Wolf-Werner Pickhardt)

 

 

 

 

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