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Tennessee Williams:
The Glass Menagerie

Kommentar:

A Dream Come True!

Seit meiner Erstbegegnung mit Tennessee Williams' The Glass Menagerie (im LK Englisch 1984) habe ich davon geträumt, dieses Theaterstück einmal mit Schülern auf der Bühne realisieren zu können. Voraussetzung dafür war jedoch, vier in etwa gleich einfühlsame Schüler(innen) zu finden, die dieses sehr poetische Stück umzusetzen in der Lage wären. Nach Jahren des Zögerns habe ich mich jetzt endlich getraut, dieses Projekt anzupacken, nachdem sich aus dem Ensemble des letzten Jahres drei Mitspieler als durchaus geeignet anboten, ein vierter wurde dann beim 'casting' für die Rolle des 'gentleman caller' ermittelt.

Ich weiß natürlich auch, daß eine Schulaufführung dieses Stückes, das von der Intensität der Gefühle lebt, ein gewisses Risiko in sich birgt, weil der Erwartungshorizont der meisten Zuschauer dahin ausgelegt ist, einen möglichst lustigen, aktionsreichen Abend zu erleben. Zwar entbehrt die Glass Menagerie nicht gewisser komischer oder auch dramatischer Elemente, doch ist der Grundtenor eher nostalgisch (“Nostalgia ... is the first condition of the play” [T. Williams]), zum Mitgefühl und zur Nachdenklichkeit anregend.

Jedoch empfinde ich ein solches Stück -– gerade nach den z.T. stark auf Situationskomik angelegten Stücke der beiden letzten Jahre – als eine gewisse Herausforderung (und weiß mich hierin mit der Schauspielergruppe einig): Wir wollen gemeinsam versuchen, die Grundstimmung dieses Dramas den Zuschauern zu vermitteln, sie mitfühlen zu lassen, sie betroffen machen. Ich weiß, daß dies keine leichte Aufgabe ist, bin aber sicher, daß es den Mitspielern aufgrund ihrer Begabung, ihres Einfühlungsvermögens bzw. ihres Engagements gelingen kann.

Warum mag ich dieses Theaterstück?

Weil es ein besonderes Stück Literatur unseres Jahrhunderts ist, weil es so unvergeßliche Charaktere präsentiert, weil es in seiner Form als ‘memory play‘ ungewöhnlich ist, weil es gerade bei den Frauengestalten so subtil gezeichnete Personen aufweist, daß man sich gar nicht recht vorstellen kann, wie ein Mann als Autor so tiefe Einblicke in die weibliche Psyche haben kann, weil es die Zerbrechlichkeit menschlicher Seelen und Träume so eindrucksvoll darstellt.

Da ist Amanda, die einerseits eine erwachsene Frau ist, gehärtet im Überlebenskampf gegen die Unbillen des banalen Alltags, die aber andererseits eine sehr sensible Person ist, die auch heute noch zu ihrer damaligen Liebe zu ihrem Mann steht (der sie verlassen hat) und in sentimentaler Weise von der Vergangenheit träumt; die, als der gentleman caller für Laura endlich eintrifft, sich wieder in die eigene Jugend zurückversetzt fühlt ('I feel rejuvenated') und sich aufführt wie eine übermütige und kokette Southern belle. Doch läßt sie diese Gefühle nur punktuell zu, um sich dann wieder der Realität zu stellen, wenn sie in fast naivem Glauben an das Besondere in ihren Kindern all ihre Energie daran setzt, ihnen bei einer erfolgreichen Lebensbewältigung zu helfen und Zukunftspläne für sie schmiedet.

Da ist Tom, ihr Sohn, der Ernährer der Familie, der aufgrund der wirtschaftlichen Rezession seine Berufswünsche nicht hat verwirklichen können, der schwer an der Verantwortung für die Familie trägt und der, weil sein Beruf ihm keine Zukunftsaussichten beschert, deshalb in die Welt der Fiktion (Gedichteschreiben und Kinobesuche) entflieht. Man spürt die Last der Verantwortung mit ihm, leidet mit ihm unter den Vorhaltungen der Mutter und versteht sein jugendliches Sehnen nach Freiheit, nach Abenteuer, nach Selbstbestimmung.

Und da ist Laura, die sich in ihre eigene Welt zurückgezogen hat, ein zerbrechliches Wesen, das den Anforderungen der Leistungsgesellschaft weder physisch noch psychisch gewachsen ist, ein Mädchen voller unterdrückter Sehnsüchte: nach dem Vater (dessen alte Schallplatten sie ständig hört), nach einer Aufgabe, die sie nicht überfordert (als Ersatz für ihre Glastiersammlung), nach Zuneigung, die ihrer verhuschten Persönlichkeit keinen Zwang antut. Laura ist die Figur des Stückes, der die Sympathie der Zuschauer sicher ist, eine junge Frau, die ebenso zerbrechlich ist wie die Tiere ihrer Glasmenagerie, die wir in ihrer Arglosigkeit und Unschuld vor der rauhen Wirklichkeit unserer Welt beschützen möchten.

Schließlich ist da auch noch Jim, “the most realistic character in the play”, wie Tom sagt, ein netter junger Mann, der noch an den 'American Dream' glaubt, der einerseits viel Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft bei Lauras Problemen zeigt, andererseits aber zu ehrlich ist, um ihr irgendwelche Hoffnungen zu machen oder Illusionen vorzugaukeln.

Ich mag das Stück auch wegen seiner Poesie und seiner durchgängigen Symbolik, die sehr deutlich, aber nie aufdringlich ist, und zu der sich der Autor auch offen bekennt. Sie fängt an beim Licht, setzt sich bei den Gegenständen auf der Bühne fort (nicht allein bei den Glasfiguren) und endet schließlich bei den Personen: so wird über Jim, den gentleman caller gesagt: “I am using this character also as a symbol; he is the long delayed but always expected something that we live for”.

Als ‘memory play’ ist es ein Stück, in dem sich Illusion und Wirklichkeit überlappen, in dem wir mit Hilfe einer fiktiven Bühnenhandlung mit den realen Gegebenheiten menschlichen Daseins konfrontiert werden. So läßt uns der Autor durch den Erzähler Tom zu Anfang des Stückes sagen: “I am the opposite of a stage magician. He gives you the illusion that has the appearance of truth. I give you truth in the pleasant disguise of illusion.”

Wolf-Werner Pickhardt

 

 

 

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