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Tennessee Williams:
Cat on a Hot Tin Roof

Kommentar:

Für manchen Kritiker war das Erscheinen von “Cat on a Hot Tin Roof” ein Beweis dafür, daß T. Williams ein 'erotomaniac' war, d.h. ein vom Eros Besessener, ein Autor, dessen Werke erotische Abnormitäten zum Thema erhoben, als da sind Vergewaltigung, Nymphomanie, Homosexualität und Frigidität. CAT schien sich in nahtloser Weise in diese Reihe einzupassen: Impotenz, Alkoholismus, Homosexualität. Sicherlich hat T. Williams genüßlich Tabus gebrochen ("I was brought up puritanically. I try to outrage puritanism."), jedoch bleiben solche Etikettierungen immer nur oberflächlich, und näheres Hinsehen läßt erkennen, daß die erwähnten Tabus nicht die Substanz Williamsscher Stücke ausmachen (und ihn sicherlich nicht zum bedeutendsten amerikanischen Bühnenautor der 50er Jahre neben Arthur Miller gemacht hätten).

Was ist also dann das Thema von CAT? Laut Aussage des Autors ist es die Verlogenheit ('mendacity') der Menschen im Umgang miteinander: "I feel that with this play I went as far as I was ever likely to go in my career as a playwright. (…) It was based upon what I believe to be the most important theme that I have assayed; the mendacity that underlies the thinking and feeling of our affluent society."

In der Tat beklagt Brick die 'mendacity' um sich herum, und in seiner Diskussion mit Big Daddy wird deutlich, daß alle Menschen aus allen möglichen Gründen heucheln ('morals scruples, conventions') und ihren Mitmenschen etwas vormachen, wobei Big Daddy herausfindet, daß Bricks Lebensekel letztlich eine Art Flucht vor sich selber ist ('disgust with yourself'), weil er sich am Tod seines Freundes schuldig fühlt: er hatte ihn abgewiesen und ihm die langjährige Freundschaft aufgekündigt, als jener ihm von seinen homosexuellen Neigungen ihm gegenüber berichtete.

Doch so wie der Vorwurf latenter Homosexualität und der von Brick mitverschuldete Tod des Freundes zwar Auslöserfunktion haben (Brick ist Alkoholiker geworden und entzieht sich Maggies Werben um seine Liebe), aber nicht eigentliches Thema sind, so bleibt der Begriff der 'mendacity' zu vage, um eigentliches, durchgängiges Thema des Stücks zu sein.

Thematisch durchgängig ist vor allem das, was allen Personen des Stückes gemeinsam ist: die Einsamkeit ('loneliness') des Einzelnen. Sie ist sehr offenkundig und 'ausgesprochen' erkennbar bei Maggie ("... I get lonely. very! … Living with someone you love can be lonelier than living entirely alone – if the one y'love doesn't love you"). Brick fühlt die Einsamkeit seit dem Selbstmord seines Freundes, der zu menschlich-schwach war, um den idealistischen Ansprüchen Bricks in Bezug auf wahre Freundschaft zu entsprechen.

Big Mama, so läßt Akt II erkennen, hat immer neben ihrem Mann hergelebt, stand in seinem übermächtigen Schatten, war Opfer seiner derben Späße und liebte ihn, ohne wahre Gegenliebe zu erfahren ("I did love you! I even loved your hate and your hardness, Big Daddy!")

Selbst Mae in ihrer naiven Kleinmütigkeit und Gooper in seiner selbstgerechten Borniertheit scheinen die jeweilige Leere nur durch die Produktion neuer Kinder füllen zu können.

Big Daddy hat in seinem schaffensreichen Leben die Einsamkeit am wenigsten gespürt. Doch in seinen immer neu ansetzenden Gesprächsversuchen mit Brick wird ihm klar, wie schwierig die Kontaktaufnahme mit einem (von ihm wirklich geliebten) Menschen ist: "Yeah, it's hard to talk."

T. Williams läßt ihn damit das bereits von Maggie in Akt I angesprochene Thema aufgreifen, die Bricks Verschlossenheit zu durchbrechen sucht: "When something is festering in your memory or your imagination, laws of silence don't work; (...) silence about a thing just magnifies it. It grows and festers in silence, becomes malignant."

Big Daddy erkennt seine wahre Einsamkeit erst im Angesicht des Todes: er, der glaubte, alle Fäden in der Hand zu haben, alle Menschen um sich herum auf sich bezogen zu haben, muß erkennen, daß diese ihn bezüglich der Wahrheit (Krebs) belogen haben ('mendacity'!). Der Existenzialist Big Daddy, der sein Da-Sein als primäre Gegebenheit ansieht, aus der er sich selbst geschaffen hat, akzeptiert zwar seine Sterblichkeit als unvermeidbare Realität, muß aber erkennen, daß sich eine reale Beziehung zu den Mitmenschen seiner Schaffenskraft entzieht.

“Cat on a Hot Tin Roof” zeigt somit die Schwierigkeit der Menschen, ihre eigene Person so weit hintanzustellen, daß sie sich einer anderen in echter Zuneigung zuwenden können. In Abwandlung von Sartres "L'enfer, c'est les autres" sagt T. Williams: "Hell is yourself, and the only redemption I know of is when a person puts himself aside to feel deeply for another person."

(Wolf-Werner Pickhardt)

 

 

 

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