Willy Russell:
Blood Brothers

Aus dem Programmblatt der Aufführung 1993

Zum Inhalt des Stückes:

Akt I:
Die Geschichte der "Blood Brothers " wird im Rückblick erzählt: Mrs Johnstone hat jung geheiratet, mit 27 Jahren hat sie 7 Kinder und ist wieder schwanger, als ihr Mann sie wegen einer Anderen verläßt. Sie lebt am Rande des Existenzminimums und ist froh, eine Stelle als Putzfrau bei Mr und Mrs Lyons zu bekommen (das Sozialamt hat ihr bereits gedroht, einige der Kinder unter staatliche Fürsorge zu stellen). Es trifft sie daher besonders hart, als der Arzt ihr mitteilt, daß sie nicht nur ein Kind, sondern Zwillinge erwartet. Mrs Lyons, die selber keine Kinder bekommen kann, bietet ihr an, eines der Zwillingskinder als ihr eigenes Kind anzunehmen (ohne Wissen ihres Mannes, der sich auf einer längeren Geschäftsreise befindet) . Nach kurzem Zögern erklärt sich Mrs Johnstone angesichts der besseren Lebenschancen für ihr Kind zu einem solchen "Handel" bereit, zumal sie davon ausgeht, dieses Kind bei ihrer täglichen Arbeit im Haus der Lyons zu sehen. Nach ein paar Monaten bringt sie 2 Jungen zur Welt, von denen sie einen Mrs Lyons überläßt.

Nach einiger Zeit ist Mrs Lyons aber so eifersüchtig auf die leibliche Mutter, daß sie Mrs Johnstone entläßt und ihr eine Summe von 50 Pfund als Entschädigung für ihren Dienstausfall gibt. Sie schüchtert die abergläubische Mrs Johnstone, die ihr Kind zunächst wieder mitnehmen will, mit der Warnung ein, daß Zwillinge, die heimlich getrennt wurden, ihre wahre Identität nie erfahren dürften, sie andernfalls sterben würden.

Im Alter von 7 Jahren begegnen sich die beiden Zwillinge Michael Johnstone und Edward Lyons beim Spielen auf der Straße, finden sich sympathisch und schließen Blutsbrüderschaft. Beide Mütter versuchen vergeblich, die Freundschaft (aus unterschiedlichen Gründen) zu unterbinden, können sie aber nicht verhindern: die beiden treffen sich oft, spielen zusammen mit Linda, einem gleichaltrigen Mädchen, das beide sympathisch finden (Mickey: "Come on, I've got Linda with me. She's a girl, but she's all right'). Mrs Lyons drängt schließlich ihren Mann, aus dieser Gegend wegzuziehen.

Kurze Zeit später scheint Mrs Johnstone mit ihren Kindern ein Glückslos gezogen zu haben: im Rahmen einer staatlichen "re-housing"-Maßnahme erhalten sie die Möglichkeit, eine bessere Wohnung auf dem Lande zu beziehen, "away from the muck an' the dirt an' the bloody trouble ".

Akt II:

Die Kinder wachsen in dieser Gegend besser behütet als in der Großstadt heran , außer dem Ältesten, Sammy, der bereits mit dem Gesetz in Konflikt geriet: Er hat die Schule mit Magnesium angezündet. Mickey ist jetzt 14, geht zusammen mit Linda zur Schule. In derselben Gegend besucht Edward Lyons ein Internat, von dem er eines Tages verwiesen wird, weil er sich weigert, seinem Lehrer den Inhalt eines Amuletts zu zeigen, das Mrs Johnstone ihm beim Abschied zur Erinnerung an Mickey geschenkt hatte: es enthält ein Photo von Mickey und seiner Mutter.

Edward, Mickey und Linda treffen sich bei einem Spaziergang wieder und nehmen ihre freundschaftliche Beziehung wieder auf Mrs Lyons, inzwischen krankhaft eifersüchtig, sucht Mrs Johnstone auf und versucht - vergeblich -, sie mit Geld und Drohungen dazu zu bringen, aus der Gegend wegzuziehen.

Die drei jungen Leute verbringen ihre Freizeit ausschließlich miteinander bis zum Alter von 18 Jahren, als Edward zur Universität gehen muß. Er bedauert die Trennung sehr, zumal die drei inzwischen eine innige Freundschaft verbindet. Bevor er geht, zwingt er Mickey noch dazu, Linda endlich die längst überfällige Liebeserklärung zu machen.

Mickey und Linda heiraten, aber kurz nach der Hochzeit verliert Mickey seinen Arbeitsplatz ("It's just another sign of the times", sagt der Chef der Firma, Mr Lyons, zu den entlassenen Angestellten). Sammy veranlaßt Mickey, der jetzt seit geraumer Zeit arbeitslos ist, bei einem Überfall "Schmiere zu stehen". Es wird dabei ein Mann getötet; die beiden Brüder werden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Hier wird Mickey, der sehr unter der Haft leidet, mit Tabletten ruhig gestellt; er wird zwar aufgrund guter Führung vorzeitig entlassen, kommt aber von seiner Tablettenabhängigkeit nicht los. Mit Edwards Hilfe, der inzwischen Anwalt und Mitglied des örtlichen ‘housing committee’ ist, gelingt es Linda zwar, eine Arbeit für Mickey und eine Wohnung für sie beide und ihr Kind zu bekommen, aber Mickey ist nicht glücklich, weil er weiß, daß er die veränderten Bedingungen nicht aus eigener Kraft geschaffen hat. Als ihm Mrs Lyons, aus ihrer krankhaften Eifer- und Rachsucht heraus erzählt, daß sich Linda und Edward im Park getroffen haben, bricht Mickeys Welt vollends zusammen: er läuft Amok ...

(Wolf-Werner Pickhardt)